1Wie Eratosthenes den Umfang der Erde gemessen hat2Den Erdumfang mit Hilfe der Messungen anderer Schulen bestimmen3Letzte Messung am 21.Juni4Sich auf der Erde zurechtfinden (fakultativ)
Publikation: | 27.10.2007 |
Lernstufe: | 3 |
Herkunft: | La main à la pâte, Paris.Originalversion: www.fondation-lamap.org/eratos |
Die Senkrechte im Maßstab der Erde
Wenn die Kinder über den ihnen vorgelegten Text diskutieren, werden sichihnen zahlreiche Fragen aufdrängen. Da ist zunächst der Begriff derSenkrechten in den beiden Städten Syene und Alexandria. Wenn sie dieAktivitäten zu den Begriffen "senkrecht"und "waagerecht" aufmerksam verfolgt haben, dann haben sie bestimmteine gute Vorstellung von der örtlichen Senkrechten. Aber wie sieht dasim Maßstab unseres Planeten aus, wenn von der Senkrechten an verschiedenenStellen unseres Planeten die Rede ist?
Stellen Sie den Kindern folgende Fragen:Wenn die Gnomone genau justiert sind (die Schüler sollen sichnötigenfalls noch einmal die betreffendeAktivität und die entsprechenden Notizen in ihren Versuchsheften ansehen),wie stehen sie dann in Bezug auf ihre waagerechte Unterlage? Die Kinderwerden ohne zu zögern antworten, dass die Gnomone senkrecht stehen unddamit auch senkrecht (im rechten Winkel) zum waagerechten Boden."Wie ist es dann bei Gnomonen, die sich an verschiedenen Orten auf der Erdebefinden?"
Die Schüler sollen über diesen Punkt diskutieren und ihre Vermutungenin ihre Versuchshefte notieren. Diese Vermutungen versuchen sie anschließendexperimentell zu bestätigen. Hierzu können sie von einem einfachen Pappstreifenausgehen, den sie flach auf den Boden legen und auf den sie senkrecht kleineStäbchen oder Reißzwecken kleben. Diese stellen die justierten Gnomone dar.Da sie ja wissen, dass die Erde nicht flach ist, krümmen sie den Streifenund sehen, dass die Gnomone nicht mehr parallel zueinander stehen, sondernin verschiedene Richtungen zeigen. Sie schließen den Streifen zu einemReifen und sehen dann gewissermaßen um die Erde verteilte Gnomone. Siezeichnen dann in ihr Versuchsheft dieses eigenartige Bild der Erde, diejetzt wie ein Igel mit Stacheln aussieht.
Abb. 1: Ein Streifen mit vielen kleinen Gnomonen und wie daraus eine"Igel-Erde" mit "Gnomonen-Stacheln" wird
Nachdem die Kinder erkannt haben, dass all diese Gnomone an jedem Punktder Erde die Richtung der Senkrechten anzeigen, fragen Sie sie, wasgeschieht, wenn sie die Stacheln im Geist bis ins Erdinnere verlängern."Sie treffen sich alle im Mittelpunkt der Erde!" Dies lässt sichnachprüfen, wenn man das vorige Experiment wiederholt und die Stäbchenoder Reißzwecken z.B. durch Stricknadeln oder Spieße ersetzt.
Die Schüler schließen daraus, dass die Senkrechte an jedem Ortunserer Erde zum Mittelpunkt unserer Erde zeigt und dass die Gnomonein zwei verschiedenen Städten nicht parallel zueinander stehen, sonderneinen Winkel bilden.
Zeichnen Sie dann den "Erd-Kreis" an die Tafel und fragen Sie, wo –nach dem, was sie über die Messungen des Eratosthenes wissen – aufdiesem Kreis die Städte Syene und Alexandria einzuzeichnen sind.
Das Geheimnis des Eratosthenes entdecken
Die folgende Aufgabe ist schwierig. Sie sollten den Kindern helfen, den Wegzur berühmten Zeichnung des Eratosthenes zu finden.
In den kleinen historischen Texten hieß es, dass in Syene am 21.Junizum Sonnenmittag die Sonnenstrahlen auf den Boden eines Brunnenschachtsfielen und senkrecht stehende Gegenstände keine Schatten warfen. DieSonnenstrahlen kamen also genau senkrecht von oben. Die Kinder zeichnenauf ein DINA4- oder DINA3-Blatt den Erd-Kreis wie auf derersten Skizze der Abb.2. Dann zeichnen sie mehrere(zueinander genau parallele) Sonnenstrahlen ein, von denen einer genauder Senkrechten in Syene entspricht.
(Man kann auch zuerst auf ein großes Blatt Papier die parallelen Sonnenstrahlenzeichnen. Dann schneidet man aus farbiger Pappe eine "Erdscheibe" aus undbefestigt sie auf dem Blatt, indem man eine Nadel durch ihren Mittelpunktsticht. Danach dreht man die Erde so, dass die Sonnenstrahlen senkrechtauf Syene treffen.)
Wo zeichnet man jetzt Alexandria ein? Fragen Sie die Kinder, wasEratosthenes an diesem selben Tag zur gleichen Zeit gemessen hat."Den Winkel zwischen den Sonnenstrahlen und dem Obelisken, also den Winkel,den diese Strahlen mit der Senkrechten bilden." Jetzt braucht man sich nurdie Größe dieses Winkels in Erinnerung zu rufen (7,2°) und eineZeichnung des Winkels anzufertigen, wie in Abb.2oben rechts. Die Kinder zeichnen den Winkel von Alexandriaauf Pauspapier und legen ihn dann so auf ihre Zeichnung mit denSonnenstrahlen, dass der auf den Obelisken fallende Sonnenstrahl parallel zudemjenigen in Syene ist.
Abb. 2: Wie kann man herausfinden, wo Alexandria liegt, wenn man weiss, woSyene ist und welchen Winkel der Schatten des Obelisken hat?
Das Geheimnis des Eratosthenes: Nachdem sie die Lage Alexandriasgekennzeichnet haben, ziehen sie die durch diese Stadt gehende Senkrechte(die Verbindungslinie von Alexandria zum Erdmittelpunkt). Fragen Sie IhreSchüler jetzt, was sie von dem Winkel zwischen dieser Senkrechten und derSenkrechten, die durch Syene geht, halten. "Er gleicht ziemlich genaudem auf Pauspapier gezeichneten, also dem von Eratosthenes gemessenen Winkel."
Das wollen sie sofort überprüfen: Sie drehen das Pauspapier um und legen denWinkel über den am Erdmittelpunkt eingezeichneten Winkel. Und siehe da, diebeiden Winkel sind deckungsgleich. Dies ist also das Geheimnis des Eratosthenes!Lassen Sie die Kinder nachprüfen, dass sie mit einer anderen Winkelgröße(der doppelten zum Beispiel) das gleiche Ergebnis erzielen. Sie positionierendas "neue Alexandria" so, dass sich ein Winkel von 14° ergibt, ziehen dieSenkrechte und messen den neuen Winkel am Erdmittelpunkt. Hierfür können sieauch einen Winkelmesser benutzen.
Stolz darüber, das Geheimnis von Eratosthenes wiederentdeckt zu haben,übertragen sie die Zeichnung ohne unnötige Hilfslinien in ihr Versuchsheft.Auch die Schlussfolgerung, die das Geheimnis des Eratosthenes darstellt, wirdhinzugefügt: Der in Alexandria gemessene Winkel zwischen den Sonnenstrahlenund der Senkrechten ist genauso groß wie der im Erdmittelpunkt gemessene Winkelzwischen Alexandria und Syene. Sie sehen auf ihrer Zeichnung das "Z wieZorro", das ihnen bestimmt helfen wird, sich dieses unglaubliche Faziteinzuprägen.
Zusatzfrage: Wie würde es sich auf diese beiden Winkel auswirken, wennman die Erde sich so drehen ließe, dass die Sonnenstrahlen nicht mehrsenkrecht auf Syene treffen (d.h. wenn man den Erd-Kreis imentgegengesetzten Uhrzeigersinn drehte)?
Die Kinder wiederholen das Experiment. Sie zeichnen die neuen Winkel,vergleichen sie und stellen fest, dass sie nicht mehr gleich sind, dennin Syene erscheint ein zusätzlicher Winkel und verändert dieVoraussetzungen.
Abb. 3: Wenn die Strahlen nicht mehr senkrecht in Syene einfallen, muss sich auch in Alexandria etwas ändern.
Wenn die Schüler die neuen Winkel in Syene und Alexandria aufPauspapier zeichnen und dann versuchen, diese über den Winkel β imErdmittelpunkt zu legen und durch Probieren eine Kombination zu finden,bei denen sie zusammenpassen, erkennen sie vielleicht ganz ohneHilfestellung Folgendes: Dass der im Erdmittelpunkt gemessene Winkel βzwischen beiden Städten gleich der Differenz zwischen den in beidenStädten gemessenen Winkeln αA und αSzwischen den Strahlen und den Gnomonen ist (sofern die Schatten derGnomone in beiden Städten in die gleiche Richtung zeigen, also z.B.beide nach "Norden", anderenfalls ist der Winkel im Erdmittelpunktgerade die Summe der beiden Schattenwinkel). Man kann dies dann auchnoch einmal mit dem Winkelmesser rechnerisch überprüfen.
Sie haben auf diese Weise die Schlussfolgerung des Erastothenes sogarauf die (am häufigsten auftretenden) Fälle ausgedehnt, in denen dieSonnenstrahlen in keinem der beiden Orte, in denen Messungen durchgeführtwerden, senkrecht einfallen! Sie notieren auch diese Entdeckung in ihreVersuchshefte; sie wird ihnen sehr nützlich sein, wenn sie die Skizzedes Eratosthenes für ihre eigenen Messwerte und diejenigen einerPartnerschule zeichnen müssen.
Damit sind Ihre Schüler jetzt gewappnet, um in allen vorkommendenFällen den Umfang der Erde zu messen.
Die Länge des durch Syene und Alexandria gehenden Meridians bestimmen
Zur Vorbereitung auf die Dreisatzrechnung, die für die Berechnung desMeridians (also für die Messung des Erdumfangs) unverzichtbar ist, lassenSie Ihre Schüler über folgendes Szenario nachdenken:
"Stellt euch vor, Eratosthenes hätte in Alexandria einen anderenWinkel gemessen, und stellt euch weiter vor, Syene und Alexandrialägen auf einer Erde, die einer in 8gleiche Teile aufgeschnittenenTorte gleicht, und zwar an den in Abb.4dargestellten Stellen. Wie findet man die Länge des Gesamtumfangs dieserTorte heraus, wenn man weiß, wie lang der Rand eines Tortenstücks ist?"
Abb. 4: Wie groß ist der Erdumfang, wenn der Abstand der beiden Ortegerade ein Tortenstück groß ist?
"Das ist einfach, man braucht die Länge des Randes des Tortenstücks nurmit 8zu multiplizieren", wird man Ihnen antworten. "Seid ihr euchdessen so sicher?" Um dies nachzuprüfen, können Sie vorschlagen, einengroßen Kreis in acht gleiche Abschnitte zu teilen und dann mit einerSchnur die Länge des Randes eines Abschnitts und mit einer anderenSchnur die Länge des Gesamtumfangs zu messen. Sie werden ein Verhältnisvon 8:1 zwischen den Längen der beiden Schnüre herausbekommen.
Genau dies hat auch Eratosthenes erkannt. Aber wie viele Tortenstückegibt es in Wirklichkeit?
Die Schüler können mehrere Experimente vorschlagen, um diesherauszufinden, und sie können Gruppen bilden, um die diversenVorschläge auszuprobieren.
- Man kann die Tortenstücke nach dem Winkelmaß von 7,2° bemessen undzählen, in wie viele Stücke man die Erde dann schneiden müsste.
- Man kann mit einer Schnur (siehe Abb.4) dieLänge des Randes des Stücks Syene–Alexandria messen und mit derLänge des Gesamtumfangs der Erde vergleichen.
- Diejenigen, die lieber rechnen, werden 360° (den gesamten Kreisumfang)durch 7,2° (den im Erdmittelpunkt gemessenen Winkel) dividieren.
Sie werden genau einen Faktor50 herausbekommen (zumindest rechnerisch).
Jetzt braucht man nur noch den Dreisatz anzuwenden. Eratosthenes sagt uns,dass die Entfernung zwischen Syene und Alexandria 5000ägyptischeStadien beträgt. Multipliziert man diese Entfernung mit50, erhält mangenau 250000 Stadien, wie bereits der große griechische Gelehrteherausgefunden hatte. Damit ist endlich das Rätsel gelöst.
Aber wie lang war eigentlich das ägyptische Stadion? Diese letzteNachforschung wird sie zu Enzyklopädien und Suchmaschinen im Internetgreifen lassen, und sie werden folgenden Wert finden: 1ägyptischesStadion= 157,5m, womit sich ein Erdumfang von39375km ergibt.Vergleichen Sie diesen Wert schnell mit den in Lexika oder im Internetangegebenen Zahlen für den Erdumfang und Sie werden sich der unglaublichenPräzision dieser Messung bewusst werden.
Anmerkung:
Es ist leider nicht zweifelsfrei überliefert, welchen Wert für den ErdumfangEratosthenes genau herausbekommen hat. Es gab nämlich damals eine ganze Mengeverschiedener als "Stadion" bezeichnete Längen (genauso, wie es heute auchnoch verschieden lange "Meilen" gibt). In der griechischen Welt benutzte manüblicherweise das attische Stadion, das einer Länge von ca.178Meternentsprach. Es gab aber auch zum Beispiel das phönizisch-ägyptische Stadion(209m), das babylonisch-persische Stadion (196m), das olympischeStadion (192m), das römische Stadion (185m) oder das mesopotamischeStadion (149m). Anderen Quellen zufolge maß das ägyptische Stadion157,5Meter. Mit letzterem Wert für dieLänge eines Stadions stimmt der von Eratosthenes berechnete Erdumfang am bestenmit dem heute bekannten Wert überein. Allerdings ist es recht wahrscheinlich,dass er als griechischer Gelehrter das attische Stadion verwendete, was immernoch zu einem – für die damals mögliche "Messgenauigkeit" –erstaunlich genauen Wert für den Erdumfang führt.